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Neckartailfingen - 900 Jahre Geschichte

Postillion auf der Neckarbrücke

Um 1090 schenkten die Grafen Luitpold und Kuno von Achalm zehn Hufen (Bauerngüter) und einen Herrenhof mit der Hälfte der Kirche in Neckartailfingen an das Kloster Hirsau. Dieses Ereignis wird im Codex Hirsaugiensis überliefert, in einem nach älterer Vorlage Ende des 15. Jahrhunderts neu geschriebenen Traditionsbuch mit Einträgen über Schenkungen an das Kloster Hirsau.
Mit der Erwähnung des Ortes "Tagelvingen" im Codex Hirsaugiensis beginnt die schriftlich gesicherte Geschichte Neckartailfingens.

Zahlreiche Fundstellen auf Neckartailfinger und benachbarter Markung zeigen jedoch, daß hier lange vor der ersten Namensnennung bereits gesiedelt und Landbau betrieben wurde.
Erste nachweisbare Spuren menschlicher Besiedlung gehen auf die Spätbronzezeit zurück (1400-800 v. Chr.).
Als Zeugnisse der Keltenzeit gelten Gräber, die mit Beigaben ausgestattet waren (5.-1. Jahrhundert v. Chr.). Aus der Römerzeit stammt ein Wochengötterstein, der 1915 aus dem Neckarbett geborgen wurde.
Um 260 n. Chr. überrannten die Alemannen die römischen Grenzbefestigungen. Als Bauern und Viehzüchter bevorzugten die Alemannen Stellen mit trockenem, fruchtbaren Ackerland und fetten Wiesen. Dort gründeten sie neue Siedlungen.
Die Gemeinde Neckartailfingen entstand aus einer alemannischen Siedlung, die in der frühen Merowingerzeit (5. Jahrhundert) als lockerer Zusammenschluß von Einzelgehöften angelegt wurde. Der Name Tagelvingen deutet auf einen Personenverband hin, der sich um einen Tagilof (oder Dagwolf gleißender Wolf) als Sippenoberhaupt gruppierte.

Die erste Namensnennung des Ortes gegen Ende des 11. Jahrhunderts deutet auf die große Bedeutung der Klöster im Mittelalter hin. Der Einfluß des Benediktner­klosters Hirsau ist noch heute augenfällig, wenn man das Wahrzeichen des Ortes, die Martinskirche, betrachtet, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts als romanische Säulenbasilika unter dem Einfluß der Hirsauer Bauschule entstand. Der leicht geneigte Glockenturm wurde in spätgotischem Stil erst im Jahr 1501 errichtet. Die Pfarrkirche St. Martin wurde wahrscheinlich schon im 7./8. Jahrhundert gegründet. Zum ausgedehnten Pfarrsprengel gehörten Grötzingen (bis 1375), Schlaitdorf mit einem Teil von Häslach (bis 1466) und Altdorf (bis 1980).

Die Neckartailfinger Schenkung der Grafen von Achalm umfaßte einen kleineren zusammenhängenden Herrschaftskomplex mit einem Fronhof als Mittelpunkt, der als "Pflege" zur Verwaltung der Hirsauer Besitzungen in der Umgegend eingerichtet wurde und bis 1515 bestand.
Die Herrschaft über den Ort Neckartailfingen kam über die Grafschaft Urach in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an die Grafschaft Württemberg. Außerdem waren andere weltliche und geistliche Grundherren im Ort begütert.

Die Burg Liebenau auf der Bergnase zwischen Autmut-und Neckartal war um 1300 im Besitz der Ministerialenfamilien von Liebenau, bereits hundert Jahre später war sie nach mehrmaligem Besitzerwechsel dem Verfall preisgegeben.

Das Patronatsrecht an der Kirche besaßen seit 1358 die Kaib, die es an das Stift Sindelfingen weitergaben. Mit der Gründung der Universität Tübingen 1477 wurde der größte Teil der Einkünfte des Sindelfinger Stifts für die Besoldung der Professoren bereitgestellt. Infolge der Reformation wurden weitere kirchliche Einkünfte in Neckartailfingen als zusätzliche Ausstattung der Universität gegeben. An allen Orten, an denen die Universität nennenswerten Besitz hatte, unterhielt sie Fruchtkästen, wohin die Geld- und Naturaleinkünfte geliefert wurden.
In Neckartailfingen errichtete die Universität Tübingen eine zentrale Einzugsstelle (Pflege) für die Abgabe des Großen Zehnten. Dieser Umstand brachte den Neckartailfingern den Beinamen "Universitätler" ein. Mit der Überwachung der Einnahmen war der Universitätspfleger betraut. In Neckartailfingen lag dieses Amt im 18. Jahrhundert in den Händen der männlichen Mitglieder der Familie Wenzelburger, die das Pflegeamt regelrecht weitervererbten.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde der Ort fast völlig vernichtet. Nach dem Sieg der kaiserlichen Truppen im September 1634 bei Nördlingen wurde das Land ausgeplündert und verwüstet; im Amt Nürtingen wurde "der vornehme Fleckn Neckartailfingen gar in die Aschn gelegt". 266 Häuser verbrannten, übrig blieben nur die Kirche, die Kelter und drei Häuser. Die wenigen Überlebenden flüchteten nach Grötzingen, wo viele ein Jahr später der grausamen Pest erlagen. Im Jahr 1648 lebten nur zehn Familien im Ort, Felder und Weinberge lagen noch weitgehend brach.

In Neckartailfingen machten Postboten auf dem Weg von Stuttgart nach Urach schon seit 1598 Station. 1807 wurde hier das erste Postamt im Kreis Nürtingen errichtet. Im 19. Jahrhundert wurde der Neckarübergang durch die Korrektur des Flußes und den Bau der Sandsteinbrücke, welche die alte Holzbrücke ersetzte, erleichtert.

Obwohl Landwirtschaft und Viehzucht noch die Haupterwerbsquellen bildeten, hielt mit dem Bau der Neckartalbahn und der Einrichtung der mechanischen Werkstätte Wissmann, einem der ältesten Betriebe im Kreis überhaupt, das Industriezeitalter Einzug in den Ort.

Seit der Gemeindereform ist Neckartailfingen Mitglied des Gemeindeverwaltungsverbandes Neckartenzlingen. Die Filderwasserversorgung hat als überörtliche Einrichtung ihren Sitz in der Gemeinde. Neben der Grundschule ist auch der Sitz der Musikschule, die das Umland mit betreut, ebenfalls hier angesiedelt. Die Gemeinde besitzt eine gute Infrastruktur und ein reges Vereinsleben. Mit dem Ausbau des Aileswasensees einem früheren Baggersee, wurde ein Naherholungs­gebiet für die gesamte Region geschaffen.

Das ein lebendiger Ort nur mit Hilfe der Vereine und Organisationen Bestehen und vorangetrieben werden kann, ist keine Frage. Die zahlreichen ortsansässigen Vereine bereiten jedes Jahr viele Aktivitäten für die Einwohner und Besucher. Es ist für jeden Geschmack etwas geboten.